Faire IT: So gelingt die nachhaltige Hardware-Nutzung
Fair einkaufen – die meisten Konsumenten assoziieren diesen Begriff mit Fairtrade-Schokolade, -Kaffee oder -Baumwolle. Dass es auch faire IT gibt, ist eine vergleichsweise neue Entwicklung. Und die Nachfrage nach fair produzierten Laptops, Smartphones, Monitoren und Co. steigt zunehmend. Doch was genau macht faire IT aus? Und was sollten Sie bei einem Hardware-Kauf vor diesem Gesichtspunkt berücksichtigen?
Faire IT: Eine Definitionssache
Wann darf sich Hardware als faire IT bezeichnen? Die Begriffsdefinition ist genau wie die Marktnische noch in der Entwicklung. Bislang gibt es beispielsweise im Bereich der Smartphones noch kein Gerät, das von der Rohstoffgewinnung bis hin zur Endnutzung als komplett fair bezeichnet werden kann. Das hört sich zunächst ernüchternd an, hat aber auch eine positive Seite: Die Standards, die verschiedene Organisationen und sogar der Gesetzgeber an faire IT anlegen, sind extrem streng. Nur so lassen sich ökologische und humane Ressourcen bestmöglich schützen. In der Begriffs- und Produktentwicklung, aber auch der Festlegung von überprüfbaren Standards sind einerseits Technikhersteller und andererseits Initiativen und Vereine beteiligt. Zu den engagierten Elektronikfirmen gehören beispielsweise: Nager IT, Fairphone und Shiftphone. Vereine, die sich für faire IT einsetzen, sind German Watch, Sukuma oder Fair IT yourself. Sie alle arbeiten daran, dass jeder in Zukunft sowohl privat als auch beruflich umwelt- und sozial verträgliche Technik nutzen kann. Kaum verwunderlich, dass faire IT selbst beim deutschen Medienfestival 2020 – einer Konferenz für alle Technikinteressierten – zur Sprache kam. Doch wie lässt sich faire IT nun identifizieren? Eine erste Orientierung für Verbraucher liefern unter anderem der EcoGuide IT und das Umweltsiegel blauer Engel. Beide bieten die Möglichkeit, Hardware auf ihre Nachhaltigkeit und Sozialverträglichkeit einzuschätzen. So können Sie schon heute entscheiden, ob das gewählte IT-Produkt Ihren Standards für Fairness genügt.
EcoGuide IT: Wie Sie Unternehmen auf einen Klick einschätzen
EcoGuide IT ist eine interaktive Plattform, die Ratings verschiedener technischer Produkte enthält. In ihrer Einstufung von fairer IT beziehen die Betreiber vor allem die unternehmerische Sozialverantwortung (Corporate Social Responsibility, kurz: CSR) ein. Anhand der CSR können Privatkunden dann nachvollziehen, wie groß der Beitrag eines Unternehmens in puncto nachhaltigem und verantwortlichem Handeln ist. Unter anderem beinhaltet der Score Punkte für Umweltschutz und faire Arbeitsbedingungen für alle Mitarbeiter.
Blauer Engel: 3 Kriterien für nachhaltige und faire IT
Der Blaue Engel ist ein bundesweit anerkanntes Umwelt-Siegel. Er kennzeichnet nachhaltige Produkte. Die Kriterien für die Vergabe des Blauen Engels legt das Umwelt-Bundesamt fest. Angewendet werden die Kriterien schließlich von unabhängigen und ehrenamtlichen Entscheidern: Die Jury Umweltzeichen entscheidet dann unparteilich, welche Produkte das Siegel erhalten und welche nicht. Wenn Sie ein Produkt mit dem Blauen Engel kaufen, können Sie sich also sicher sein, dass Gesundheit und Umwelt mit dem Konsum geschützt und festgelegte Nachhaltigkeitskriterien eingehalten wurden. Der Blaue Engel existiert zum Beispiel für nachhaltig produzierte Hardware wie Smartphones und Datenspeicherprodukte. Folgende Kriterien bezieht die Jury vor der Vergabe des Siegels ein:
Langlebigkeit: Das Produkt sollte möglichst langlebig sein. Den Produktzyklus verlängern einfache Reparaturen, aber auch das Recycling von Gebraucht-Hardware.
Strahlungsarmut: Der Blaue Engel dient unter anderem der Gesundheitsförderung und Prävention.
Sozialverträglichkeit: Sowohl in der Gewinnung von Rohstoffen als auch in deren Weiterverarbeitung sollen menschenwürdige Arbeitsbedingungen herrschen. In der Vergangenheit finanzierte der Bezug von Rohstoffen in einer Abbaustätte beispielsweise nicht-staatliche, bewaffnete Konflikte dort. Dies führte durch wiederholtes Vorkommen zur weltweiten Forderung nach sogenannten konfliktfreien Rohstoffen.
5 Kriterien für faire IT
Die beiden Beispiele zeigen: Die Maßstäbe, wann IT als fair bezeichnet werden kann, variieren von Organisation zu Organisation und sind Stand heute noch Definitionssache. Trotzdem gibt es einige Merkmale, die Hardware als „fair“ auszeichnen. Auch wenn sich die Kriterien für „faire IT“ im Detail unterscheiden, wiederholen sich meist immer wieder folgende fünf Punkte:
1. IT ist fair, wenn sie langlebig ist
Das bedeutet, sie hat einen langen Produktlebenszyklus. Wenn ein Produkt defekt ist, lässt es sich reparieren. Auch Refurbished IT ist langlebig, weil sich mit der Generalüberholung gebrauchter Hardware der Produktlebenszyklus von IT ungemein verlängert. Reparatur und Austausch defekter Teile wie Akkus oder Bildschirme gelingt bei Refurbished Artikeln meist mühelos.
2. IT ist fair, wenn sie ressourcenschonend ist
Damit ist gemeint, dass die Produktion, der Transport und die Endnutzung Umweltressourcen wie seltene Metalle, aber auch elektrische Energie, sparen. Dieser Punkt stellt eine Schnittstelle zu nachhaltiger IT dar.
3. IT ist fair, wenn in ihrer Produktion für günstige Arbeitsbedingungen gesorgt ist
Hierfür haben sich die Arbeits- und Sozialstandards der Internationalen Arbeitsorganisation durchgesetzt. Die Standards sehen beispielsweise eine Produktion ohne Zwangsarbeit, ohne Kinderarbeit und ohne Diskriminierung Beschäftigter vor. Sie sollten entlang der gesamten Lieferketten eingehalten werden.
4. IT ist fair, wenn die Rohstoffe konfliktfrei sind
Wie erwähnt soll die Rohstoffgewinnung in Entwicklungsländern und Konfliktregionen, wie z. B. dem Kongo, nicht der Finanzierung bewaffneter Gruppen dienen. Diese Forderung hat sich im Zuge der US-amerikanischen Dodd Frank Acts auch in Deutschland durchgesetzt – unter anderem bei der Herstellung von IT-Hardware.
5. IT ist dann fair, wenn ihre Produktion und Nutzung mit einer geringen Schadstoff- und Strahlenbelastung einhergehen
Konsum von IT ist nur fair, wenn er keine Gefährdung für die Umwelt und die körperliche Unversehrtheit zukünftiger Generationen erzeugt. Faire Technik ist also ressourcenschonend, umweltfreundlich und vor allem sozialverträglich. Diese Kriterien setzen sich nur mit Hilfe langfristig veränderter Konsumgewohnheiten und gesetzlicher Rahmensetzung durch.
Faire IT kaufen: Mehr als nur für’s gute Gewissen
Mit dem Kauf fairer Technik setzen Sie ein Zeichen für den Schutz von Umwelt und Menschenrechten. Die Produktionsbedingungen für herkömmliche IT entsprechen leider nicht immer den Standards von fairer IT – insbesondere bezogen auf die Umwelt- und Sozialverträglichkeit. Außerdem kommt es zu einer zunehmenden Verkürzung der Produktlebenszyklen von Technik. Immer häufiger wird Neuware gekauft, anstatt alte Technikprodukte wieder instand zu setzen. Teile der Elektroindustrie unterstützen kurze Produktlebenszyklen, indem sie mit immer mehr Innovationen werben und die Reparatur defekter Hardware und Elektronik für Nutzer immer umständlicher machen. Die Entsorgung bleibt dann häufig die einzige Alternative für Konsumenten, wenn ein Endgerät defekt ist.
Faire IT gegen Ressourcenknappheit
Das hat eine verheerende Konsequenz für die Umwelt: Industrieländer wie Deutschland produzieren große Mengen an Elektroschrott. Die enthaltenen Ressourcen für die Produktion von Smartphones und Co. kommen nicht in den Stoffkreislauf zurück. Stattdessen bauen sie Technik-Firmen neu ab, teils unter starker Belastung von Umwelt und Mensch. Faire IT setzt genau hier an: Ganze Geräte oder zumindest einzelne Bauteile oder Rohstoffe, finden durch Recycling ihren Weg zurück in die Hände von Konsumenten.
Faire Löhne für unsere Handy-Produzenten
Die Ressourcen für die IT-Produktion werden knapp. Dies spiegelt sich in steigenden Preisen wider. Doch während Preise für den Endnutzer steigen, sinken Löhne für die Angestellten entlang der Lieferketten. Neben humanen Löhnen fehlen oftmals auch Maßnahmen für den Gesundheitsschutz, Sicherheitsvorkehrungen und Regelungen für Pausen. Auch Zwangs- und Kinderarbeit existieren in Bergwerken und Fertigungsstätten von IT weiterhin. Das alles zeigt: Die Arbeits- und Produktionsbedingungen sind insgesamt häufig stark verbesserungswürdig. Faire IT ist eine wirkliche Alternative. Wer in der Herstellung fairer Technik angestellt ist, findet gerechte, soziale Arbeitsbedingungen vor. Faire IT schützt die Umwelt genauso wie Menschenrechte. Sie ist ein Mittel, mit dem Nutzer Druck auf Produzenten, die Gesetzgebung und gesellschaftliche Einstellungen ausüben können. Denn es ist wie überall in der Wirtschaft: Die Nachfrage bestimmt das Angebot. Je größer die Unterstützung für Unternehmen, die ökologisch und sozial handeln, desto stärker setzen diese sich durch – in den Köpfen, aber auch im Handel.
Wie kann ich Technik fair konsumieren?
Es fehlt an einheitlichen, internationalen und vor allem überprüfbaren Standards für faire Technik. Während sich beispielsweise das sogenannte Faire-Trade-Siegel bei Kleidung, Kaffee und Co. sichtbar durchgesetzt hat, sind vergleichbare Kennzeichnungen im Bereich Technik weniger prominent. Doch das bedeutet nicht, dass verantwortungsbewusster Konsum von Technik unmöglich ist. Es gibt zwei zentrale Wege, um faire Technik-Produkte zu konsumieren: faire Neuware und Recycling-Hardware.
Neu kaufen, aber richtig!
Es bieten sich verschiedene Optionen für einen fairen Kauf von Neuware an. Das Unternehmen Fairphone zum Beispiel produziert möglichst viele Einzelbauteile seiner Smartphones nachhaltig und sozial. Dabei geht es unter anderem um die Beschaffung von konfliktfreien Rohstoffen. Aber auch um die Fertigung des finalen Geräts. Fairphone übernimmt nicht nur Verantwortung für die Bedingungen der Produktion, sondern auch dafür, was nach dem Handykauf geschieht. So fördert der modulare Aufbau der Fairphones ein einfaches Reparieren und eine möglichst lange Nutzung nach dem Kauf. Eine andere Firma, die sich im Bereich fairer IT in Deutschland einen Namen gemacht hat, ist Nager IT. Der Technikkonzern kooperiert mit Integrationswerkstätten und bietet damit Arbeitsplätze für Personen, die auf dem ersten Arbeitsmarkt weniger Chancen auf Partizipation und Beschäftigung haben. Außerdem kooperiert Nager IT mit dem Verein „Fair lötet“. Ziel von „Fair lötet“ ist es, ein faires Lötzinn zu produzieren. Das Lötzinn besteht aus seltenen Metallen, deren Beschaffung häufig unter fragwürdigen Bedingungen geschieht. Das Zinn und die Leiterplatten, die Nager IT bei seiner fairen Computermaus verbaut, sollen genau wie die Kondensatoren, das Scrollrad oder das Gehäuse unter Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards hergestellt werden. Die faire Maus gilt in Deutschland als erste Computermaus, die aus annähernd fairer Herstellung stammt. Damit ist Nager IT ein Pionier mit Vorbildcharakter.
Second Hand gibt’s nicht nur bei Kleidung
Ein Neukauf bedeutet nicht gleich den Kauf von Neuware. Das Sortiment an gebrauchter Hardware ist enorm und bietet bei entsprechendem Know-how einige Vorteile. So gibt es eine bestimmte Kategorie gebrauchter Produkte – die Refurbished IT. Doch was versteht man unter Refurbished IT? Dabei handelt es sich um Gebrauchthardware, die einen speziellen Aufarbeitungsprozess durchläuft. Technik unter dieser Bezeichnung vertreiben wir bei Green IT. Unsere Technikprodukte durchlaufen einen standardisierten Prozess der optischen und vor allem technischen Prüfung und Erneuerung. So punkten die Geräte mit generalüberholter Technik sowie den neuesten Standards in Sachen Software und Betriebssystem.
Faire IT lohnt sich gleich doppelt: Für Umwelt und Mensch
Am Ende ist es keinesfalls unmöglich, IT-Produkte fair zu konsumieren – es erfordert nur etwas Eigeninitiative. Das Engagement und Interesse für faire IT steigen national und international sowohl von Seiten der Industrie als auch in der Politik. Auch wenn es noch keine einheitliche Definition und damit keine einheitlichen Standards gibt, bestehen bereits einige Hilfestellungen, mit denen Sie das Sortiment einordnen können. Mit dem Kauf von Gebraucht-Hardware oder fairer Neuware, ist es bereits heute möglich, einen Beitrag zu mehr Gerechtigkeit und Umweltschutz entlang der Produktionsketten zu leisten.